<<

Schauspiel Magdeburg
Hörparcours
HÖRT AUF DIESE STADT!
Eine akustische Spurensuche in Magdeburg
von Kirsten Reese, Enrico Stolzenburg und Dag Kemser

Ab dem 25.1.2013 bis zum Ende der Spielzeit 2014
Kostenlose Ausleihe der Abspielgeräte im Kassenfoyer des Opernhauses Magdeburg
von Montag bis Samstag zwischen 10.00 und 16.00 Uhr
Dauer: 75 Minuten

Kirsten Reese (Text, Klang, Aufnahme, Schnitt), Enrico Stolzenburg (Text, Regie) und Dag Kemser (Text, Dramaturgie)
Sprecher: Gisela Hess, Katharina Schlothauer, Sebastian Reck, Axel Strothmann, Peter Weiss
Navigationsstimme: Susanne Krassa

Mit freundlicher Unterstützung der Kunststiftung Sachsen-Anhalt, der Kloster Bergeschen Stiftung, der Rudolf Augstein Stiftung und des Elektronischen Studios der TU Berlin, Fachgebiet Audiokommunikation.

Herzlichen Dank an Hannah Wehner, Wolfram Kleiner und Bernd Zierau.



"Hört auf diese Stadt!" ist ein Hörparcours/Audiowalk durch die Innenstadt von Magdeburg. Das Publikum wird mit mp3-playern und Kopfhörern ausgestattet vom Opernhaus bis zum Domplatz geleitet.
Welche Spuren haben die unterschiedlichen politischen Systeme von 1933 bis heute in Magdeburg hinterlassen? Woran lässt sich an welchem Ort erinnern, welche Erinnerungszeichen gibt es schon, was fehlt? Die Besucher erleben beim Gehen verschiedene Klangebenen: die Gespräche eines fiktiven Bürgerbündnisses, das den Plan hat, ein Erinnerungszeichen gegen totalitäre Ideologien zu setzen, mischen sich mit historischen Tondokumenten; die Orte entlang des Parcours beginnen zu sprechen, erzählen ihre Geschichte.
Die Tonaufnahmen wurden mit der Kunstkopf-Technik aufgenommen. So entstehen akustische Illusionen und die Wahrnehmung des realen Stadtraums verbindet sich mit dem fiktiven, künstlerisch gestalteten Klangraum: was man sieht, mit dem was man hört; was war, mit dem was ist und mit dem, was in der Imagination der Hörer entsteht.
Diskussionen und Beobachtungen der Figuren, inszenierte Quellenzitate, historische Tondokumente, an den aufgesuchten Orten zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommene Soundscapes, Musik-Klänge und Geräusche spannen einen Bogen über die vier Zeitebenen, die im Hörparcours zusammentreffen: vom ersten demokratischen Gesellschaftsversuch in Deutschland über NS-Diktatur und DDR bis in die Jetzt-Zeit nach der Wiedervereinigung.

> Audioausschnitt: Station Rathausfoyer
> Audioausschnitt: Passage Alter Markt

Tondokumente (u.a.)
01.05.1931 Rundfunkvortrag Ernst Reuter, Bürgermeister von Magdeburg: Die kommunalpolitischen Aufgaben der deutschen Grossstädte
1.3.1933 Wahlkundgebung der Kampffront Schwarz-Weiss-Rot mit Franz Seldte, Gründer des "Stahlhelm"
31.3.1946 Konferenz von Vertretern der KPD und der SPD des Bezirks Magdeburg
7.4.1950 Reportage Wiederaufbau zerstörter Kirchen in der DDR
04.9.1952 Besuch von Wilhelm Pieck in Magdeburg
7.8.1968 Gespräch über den Aufbau des Stadtzentrums von Magdeburg
12.11.1988 "Dialog" Ein Kulturmagazin, Gesprächspartner: Ekkehard Schall
4.11.1989 Kundgebung Domplatz Magdeburg
Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv

Passsage über den Univeritätsplatz


Station Stolpersteine Blumenfeld


Magdeburg sollte als sozialistische Musterstadt wiederaufgebaut werden: die Karl-Marx-Strasse (heute wieder Breiter Weg) 1967


In den 1920er Jahren Warenhaus Gebrüder Barasch - 1969 Grundsteinlegung für das Centrum Warenhaus - seit 1992 Karstadt-Filiale

"Hört auf diese Stadt - Schaut auf diese Stadt!" - Der Titel des Hörparcours bezieht sich auf den berühmten Ausspruch Ernst Reuters während der Luftbrücke in Berlin 1948. Ernst Reuter war von 1931 bis 1933 Bürgermeister in Magdeburg, bis er von den Nationalsozialisten buchstäblich aus dem Rathaus geworfen wurde - das Rathaus, eines der wenigen nicht im Krieg zerstörten Gebäude im Zentrum von Magdeburg, ist eine der Stationen des Hörparcours.


Station Allee Center - das Einkaufscenter als Agora des 20. Jahrhunderts?

Domplatz


Kai Ivo Baulitz DIE FRAKTION

"Hört auf diese Stadt!" entstand parallel zur Stückentwicklung für "Die Fraktion" von Kai-Ivo Baulitz.
Der 80. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme war Anlass für das Theater Magdeburg, sich mit der Verführungsmacht totalitärer Ideologien auseinanderzusetzen. Ein Stückentwicklungs-Workshop mit künstlerischem Team und Schauspielern bildete die Basis für eine interdisziplinäre Recherche mit Ortserkundungen, Fachvorträgen und Gesprächen mit Historikern, Politikern und mit Magdeburger BürgerInnen unterschiedlicher Generationen.
Kai Ivo Baulitz entwirft in "Die Fraktion" ein Szenario, das mit Witz und Schärfe danach fragt, was wir vom politischen System der Demokratie überhaupt noch erwarten. Die Arbeit in der Stadtratsfraktion läuft wie geschmiert: die Hierarchien sind klar, die Aufgaben verteilt. Doch die Maschinerie gerät ins Stocken, als sich der Politik-Novize Martin in die Abläufe einschaltet. Kurzerhand beruft er eine Sondersitzung ein, weil er möchte, dass seine Fraktion die Errichtung einer »Stele, die an unsere Freiheit erinnert« beantragt – und zwar just an dem Ort, wo das neue Einkaufscenter gebaut werden soll! Wer beim Zusammenprall von Idealismus und Pragmatismus die Oberhand behält, scheint schnell klar zu sein. Doch der Hausmeister hat den Sitzungssaal mit Getränkekisten zugemauert. Zum Warten verdammt, bietet sich den Parlamentariern die Chance zu einer Debatte jenseits der üblichen Routine.

Schauspiel Magdeburg
Kai Ivo Baulitz DIE FRAKTION
Regie Enrico Stolzenburg
Bühne / Kostüme Doris Dziersk
Musik Kirsten Reese
Dramaturgie Dag Kemser