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Biografie und Reviews Kirsten Reese wurde 1968 in Kiel geboren und wuchs im Rheinland, in Hongkong und in den Philippinen auf. Sie studierte Flöte, elektronische Musik und Komposition in Berlin (Hochschule der Künste, Technische Universität) und 1992/93 in New York. Sie war als Flötistin, Autorin und Kuratorin im Bereich der zeitgenössischen Musik und Klangkunst tätig. Als Komponistin und Klangkünstlerin komponiert und produziert Werke für elektronische Medien und Instrumente sowie intermediale und interaktive Installationen. Eine hervorgehobene Rolle spielen bei ihren Arbeiten raum- und wahrnehmungsbezogene sowie performative und narrative Aspekte. Viele Arbeiten fokussieren "found sound" und thematisieren Aspekte "dokumentarischen Komponierens", z.B. die 24-kanalige Klanginstallation „Debatte“ (Donaueschinger Musiktage 2013, gemeinsam mit dem Regisseur Enrico Stolzenburg) sowie die Komposition mit Archiven und Archivmaterial (z.B. "Atmende Kugel" für sechs Stimmen und Hermann Scherchens rotierende Lautsprecherkugel (2017, Neue Vocalsolisten). Kirsten Reeses Interesse für die Kontextualisierung von Medien/Mediengeschichte und die Spezifität und Aura von medialen Instrumenten spiegelt sich in "Light Green Rituals" für historischen Fairlight Synthesizer und Ensemble (2018, Ensemble Mosaik) und "the lightest words had the weight of oracles" (2014/16) für Fairlight CMI und E-Gitarre. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Kompositionen, Installationen und Audiowalks für Landschaften und den urbanen Außenraum, z.B. "Berlin Rosenthaler Platz" (2018), Audiowalk mit singenden Sirenen, gemeinsam mit dem Schriftsteller David Wagner, „KlangBallon" (2010) für Instrumente, mobile Lautsprecher, Sensordaten und drei Trompeter im Heißluftballon, „no voice audible but that of the sea on the far side" (2013), Klanginstallation in einem schalldämpfenden Zylinder im Aarhuser Hafen. Kirsten Reese erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, u.a. Gastkünstlerstipendium ZKM Zentrum für Kunst- und Medientechnologie 2011, Nominierung/Sonderpreis Deutscher Klangkunstpreis 2010, Villa Aurora Los Angeles 2009, Cité des Arts Paris 2005/06, Stiftung Kulturfonds 2001. Ihre Arbeiten wurden international in Konzerten und auf Festivals aufgeführt und auf Festivals gezeigt, u.a. Eclat Festival 2018, KONTAKTE Akademie der Künste 2017, Wien modern 2017, Heroines of Sound 2015, Kunstfest Weimar 2015, Festival attaca 2014, Donaueschinger Musiktage 2006/2013, SPOR Festival Aarhus 2013, Wittener Tage für neue Kammermusik 2011, Festival Rümlingen 2007/2010, Borealis Festival Bergen 2009, MIBEM Festival Melbourne 2008. Seit 2005 unterrichtet sie an der Universität der Künste Berlin in elektroakustische Komposition. 2007 - 2009 war sie dort Gastprofessorin für künstlerische Transformationsprozesse. 2011 war sie Dozentin im Studiengang Musik und Medienkunst an der Hochschule der Künste Bern. 2018 war sie Dozentin für Komposition bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik und leitete den Workshop "Komponieren mit dem Archiv".2010 erschien im Wolke Verlag der Katalog Medien Klang Konstellationen, 2019 auf dem Label world edition die CD the lightest words. Seit 2021 ist Kirsten Reese Mitglied der Sektion Musik der Akademie der Künste Berlin. > mehr zu Biografie und Projekten Reviews Ausgerechnet dort, wo die Musik vermeintlich eine nachgeordnete Rolle spielt, gelangt das BAM! allerdings zu überraschender Blüte. Grossartig ist die Arbeit Berlin Rosenthaler Platz von Kirsten Reese und David Wagner, die als Audiowalk rund um den titelgebenden Verkehrsknotenpunkt führt. Bis auf wenige gesangliche Intermezzi (von Sopranistin Sirje Viise und Countertenor Daniel Gloger auf einem Balkon über dem Café St. Oberholz) findet die Tour ihre Partitur in den Sedimenten aus Sound, die sich im Laufe der Geschichte abgelagert haben. Reese und Wagner entdecken sie als Gegenwartsecho neu, teils als Tondokumente aus Nazizeit und DDR-Diktatur, teils als eingesprochene Erzählung. Sie lauschen in die Hinterhöfe, lassen hundert Jahre alte Strassenschilder mit hebräischer Schrift aufleuchten und blicken durch die Fassaden von heute auf eine versunkene Stadt. Wie „aktuell“ das ist, spielt keine Rolle. Es ist auf jeden Fall Musiktheater am Puls der Zeit. „Drop the Beat“ heißt die aktuelle Veröffentlichung der Edition DEGEM, bei der es dem Thema entsprechend deutlich „technoid“ zugeht. ... Eines der interessantesten Stücke hat Kirsten Reese beigesteuert: „Roaming“ basiert auf einem Film von Stefan Panhas, wo Schauspieler und Tänzer die Fehler in algorithmischen Bewegungsmustern von Avataren in analoge Körperlichkeit rückverwandeln. Eine Montage aus ekstatischen Loops mit harten Schnitten und scharfen Kontrasten ist die Folge. Spannungsreicher ist The lightest words had the weight of oracles von Kirsten Reese. Schillernde Klangflächen, faszinierende Obertonstrukturen und eine kluge Dramaturgie kennzeichnen dieses Werk. Und dafür braucht es weder eine Materialschlacht noch eine philosophisch grundierte Einführung, sondern schlicht tonsetzerisches Handwerkszeug. Leo Chadburn, The Wire, issue 354 2013, p.80 Eine Burgruine ist an sich noch kein besonders spektakulärer Ort. Eigentlich reiht sich auch die halb verfallene Festung Hardenstein in der Nähe von Witten in die stattliche Zahl jener Ziele ein, die gern für ein Picknick genutzt werden und ansonsten nicht weiter auffallen. Doch wer sich an diesem Wochenende dem alten Gemäuer näherte, der wurde mit äußerst ungewöhnlichen Dingen konfrontiert: Schon bevor man den hübsch restaurierten Turm erspäht, beginnen plötzlich Bäume, Büsche und Gräser zu flüstern, Stimmen erzählen von irgendeinem Goldemar und seinen Taten, Schreie und Krächzlaute sind zu hören, es knistert und knackt. In Hardenstein angekommen, umschmiegen einen dann eher sanfte Klänge, die kurzzeitig zu Brummlauten und wuchtigen Tonballungen anwachsen. An vielen Stellen des Mauerwerks hängen Lautsprecher und ein Rudel hübscher junger Damen in nachtschwarzer Kleidung trägt weitere Klangquellen durch die Gegend. Auf einmal schnaubt eine echte alte Eisenbahn angestrengt, ja fast wütend durch die Szenerie. Die Kieler Klangtüftlerin Kirsten Reese hat diesen Hörparcours geschaffen, der ungemein sinnlich ist, alle Sinne öffnet und noch lange nachhallt. Im Zentrum steht der schon erwähnte Goldemar, eine Art Ruhr-Pumuckl. Goldemar wurde einst gefangen, was ihm überhaupt nicht gefiel und zu Racheakten führte. Es waren allerdings keine harmlosen Meister-Eder-Streiche, Goldemar riss seinen Fänger kurzerhand in Stücke und kochte ihn! Nach Verlassen dieses eindrucksvoll raunenden Klangraums trifft man am nahen Flusschen auf Angler, die Musikfische an Land ziehen... Archiv Highlights 1994 Uraufführung beim Festival Musicarama, Hong Kong 19941999 Ruth Crawford Seeger und die amerikanische Avantgarde der 20er, 30er und 40er Jahre, zwei moderierte Konzerte 1999 Alvin Lucier Self-Portrait (1989) für Flöte und Anemometer |