<<

Zoobrücke

Hörpassage, Fußgängerbrücke (Tiergartenweg) Karlsruhe. 2012
Klanginstallation, Loop 12'
Audiowalk 18'
QR Code/Smartphone/Audioplayer, Kopfhörer, Lautsprecher

Im Rahmen der Ausstellung Sound Art - Klang als Medium der Kunst, Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe

Stimmen: Iris Albrecht, Sebastian Reck, Julia Schubert
Technische Beratung: Manfred Fox



Die Fußgängerbrücke 1967


Auf der Fußgängerbrücke, die den Karlsruher Zoo überquert, ist eine Hörpassage eingerichtet. Die Fußgängerbrücke verbindet die Stadtviertel Südstadt und Südweststadt und wird viel genutzt. Menschen, die die Brücke überqueren, bleiben oft stehen, weil sie sich die Aktivitäten der Tiere eine Weile anschauen.

... Lauscht ihr Ohr nach allen Seiten, sucht nach wild vertrauten Tönen... Joachim Ringelnatz Giraffen im Zoo

Die Passanten können an der Ostseite der Brücke über QR-Codes Klangdateien abrufen. Die über die Kopfhörer gehörten Klänge begleiten die Besucherin, den Besucher beim Gang über die Brücke. Der Blick auf die Tiergehege und die Kunstnatur des Zoos und des Stadtgartens überlagert sich mit dem komponierten Hörareal. Auch in den Audiospuren mischt sich künstlich generiertes Material und primitivst-digitalisierte Samples (komponiert und produziert mit dem Fairlight CMI, einer der ersten digitalen Synthesizer und Sampler Ende der 1970er-Jahre) mit Samples/Aufnahmen echter Tierstimmen und Naturklängen.

Es werden Interviews mit Karlsruher Bürger/innen sowie Textauszüge verwendet aus: John Berger, Warum sehen wir Tiere an?, Berlin 1981; Edward O. Wilson, The Creation, New York 2007; Nigel Rothfels, Savages and Beasts, Baltimore 2002.



>> audio - Ausschnitt

»Wo ist sie denn, die Löwin? Ich kann sie nicht sehen. « - »Da ist sie, sie hat die Augen zu. « - »Ah ja, da, die Löwin ... eia, Löwin ... « - »Jetzt blinzelt sie. « - »Ja, blind ist sie. «

Kirsten Reese, 2013 Formung und Verwandlung. Aspekte des Umgangs mit Wirklichkeit im klanglichen Medium. Positionen 93 Diesseitigkeit, S.31-33:

Der Audiowalk enthielt musikalisches und klangliches Material - am Fairlight komponierte elektronische Musik, echte und »falsche« Tierstimmen, vor Ort aufgenommene Field Recordings usw. - aber vor allem auch viel Text, der zum einen auf Gesprächen mit KarlsruherInnen über ihre Erinnerungen an die Zoobrücke und den Zoo basierte, zum anderen aus Auszügen aus drei Büchern bestand: Nigel Rothfels' Savages and Beasts (Baltimore 2002) verknüpft die Geschichte europäischer Zoos und des Imports von exotischen Tieren mit kolonialistischen »Völkerschauen« im 19. Jahrhundert, als historisches Text-Dokument erklingt im Audiowalk die Schilderung einer von Carl Hagenbeck geleiteten »Tierkarawane durch Nubien«. Edward O. Wilson schreibt in The Creation (New York 2007) über das Artensterben und über die bisher größtenteils unentdeckte Vielfalt von Mikro-Lebewesen. Warum sehen wir Tiere an? (in: Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens, Berlin 1981, S.12-35)  ist schließlich der Titel des zookritischen Aufsatzes, den der englische Kulturwissenschaftler John Berger bereits in den 1970er Jahren verfasste. Berger spricht von der Entfremdung zwischen Mensch und Tier im Kapitalismus und entwickelt zum Schluss des Aufsatzes eine These, die darauf hinausläuft, dass die Menschen enttäuscht sind, weil sie die Tiere im Zoo nicht mehr erblicken, und die Tiere nicht mehr zurückschauen. Diese Schlussfolgerung Bergers, die den endgültigen Bruch zwischen Mensch und Tier beschreibt, kommt als Text im Hörstück nicht vor. Dafür erklingt eine kleine Szene, die ich zufällig erlebte, als ich im Karlsruher Zoo vor dem Löwenkäfig Aufnahmen machte. Ein etwa fünfjähriges Mädchen fragt seine Großmutter »Wo ist sie denn, die Löwin? Ich kann sie nicht sehen. « - »Da ist sie, sie hat die Augen zu. « - »Ah ja, da, die Löwin ... eia, Löwin ... « - »Jetzt blinzelt sie. « - »Ja, blind ist sie. « - »Nein, sie blinzelt... « Dass diese Szene sich ereignete, als ich gerade mit einem Mikrofon vor dem Löwenkäfig stand, ist ein Beispiel für den strukturellen Zufall von dem ich oben sprach.


An der Westseite der Brücke sind im Geländer unsichtbar zwei kleine Lautsprecher untergebracht, aus denen in bestimmten zeitlichen Intervallen künstliche und vom Fairlight gesampelte Tierlaute ertönen.

>> audio







Dank an: Andre Bartezki, Dr. Clemens Becker, Janine Burger, Carina Dieckemann, Siegmar Zacharias, Enrico Stolzenburg u.a.